Aller guten Dinge sind drei?
Die Ratsmitglieder der Stadt Bochum sollen wohl nun zum dritten Mal die Ausschüsse der Stadt Bochum wählen.
Grund hierfür ist eine eingereichte Klage der Fraktion „Die Partei/Stadtgestalter“ gegen den Rat der Stadt Bochum und ein dazu heute ergangener Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung.
1. und 2. Aktualisierungshinweis
01.02.2021: Es gibt einen ergänzenden Artikel zu diesem Thema: Bochumer Rat #ratBO wird wohl Ausschüsse am 4. Februar 2021 neu wählen: rechtlicher Erfolg für „Die Partei / Stadtgestalter“.
27.01.2021: Dieser Artikel wurde zwischenzeitlich aktualisiert. Neu hinzugekommen sind die acht Seiten des neunseitigen Faxes des Beschlusses (ohne das Deckblatt) – siehe Beschluss des VG Gelsenkirchen – und drei weitere Stellungnahmen in der Angelegenheit, hier von Burkart Jentsch, dem Vorsitzenden der SPD-Ratsfraktion Bochum, Felix Haltt, dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion und von Sebastian Pewny, dem Vorsitzenden der Grünen im Rat.
„Historie“ der Ausschusswahlen der Stadt Bochum in der laufenden Ratsperiode (ab 2020)
Erste Wahl der Ausschüsse: In der konstituierenden Ratssitzung (siehe auch den Bericht bei 4630.de) wurden die Ausschüsse der Stadt Bochum zum ersten Mal gewählt.
Zweite Wahl der Ausschüsse: In der darauf folgenden Sitzung wurden die Ausschüsse noch einmal gewählt – da sich mit dem Zusammenschluss im Rat „Die Partei/Stadtgestalter“ eine neue Fraktion gebildet hat.
Doch bei dieser zweiten Wahl kam vom Ergebnis her im Grunde das heraus, was auch bei der ersten Wahl heraus kam. Schon damals wurde eine Klage der neuen Fraktion angedroht (siehe dazu diesen Bericht). Obwohl von dieser Klage lange nichts zu hören und zu lesen war – und das obwohl einzelne Akteure der Fraktion „Die Partei/Stadtgestalter“ sehr öffentlichkeitswirksam agieren – wurde diese vor geraumer Zeit eingereicht.
Klage und Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Stadt Bochum durch Fraktion „Die Partei/Stadtgestalter“
Anfang Januar wurde der Rat der Stadt Bochum, vertreten durch den Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), dann von der Fraktion „Die Partei/Stadtgestalter“ verklagt.
Dabei wurde beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen beantragt, dass
- festgestellt wird, dass die Wahlen vom 17. Dezember 2020 zur Besetzung der Ausschüsse ungültig seien
- (wegen der Dringlichkeit) dazu eine einstweilige Anordnung festgestellt wird
VG Gelsenkirchen: Beschluss
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen (der 4630.de vorliegt), gibt den Antragstellern erstmal recht. Da das ganze nicht erst im Hauptverfahren ausverhandelt werden soll, was länger dauern könnte, wurde jetzt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung der folgende Beschluss gefasst:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die von ihm am 17. Dezember 2020 gebildeten Ausschüsse aufzulösen und neu zu bilden.
Der eigentliche Beschluss in 8 Seiten
Wie es jetzt weiter gehen könnte…
Wie man dem Beschluss entnehmen kann, gibt es für die Beteiligten die Möglichkeit sich beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster über den Beschluss zu beschweren.
Die klagende Fraktion „Die Partei/Stadtgestalter“ wird das wohl nicht machen, da sie sich ja in ihrer Position bestätigt fühlt.
Inwiefern jedoch der Rat der Stadt Bochum sich diesem Urteil anschließen wird oder aber in der nächsthöheren Instanz – eben beim OVG in Münster – versucht eine andere Entscheidung zu erzielen, wird sich zeigen. Da der Beschluss des VG Gelsenkirchen gegen den Rat der Stadt Bochum ergangen ist, dürfte diese Angelegenheit wohl auch Thema der nächsten Ratssitzung – am 4. Februar 2021 – sein. Denn diese Sitzung liegt innerhalb der Rechtsmittelfrist, in der sich die Beteiligten beschwere können.
Daher wird es wohl spannend was einerseits die Verwaltung in einer Beschlussvorlage für den Rat dazu empfehlen wird und wie sich dann am 4. Februar 2021 der Stadtrat entscheidet. 4630.de wird natürlich davon berichten.
Zu klären wäre dann, ob das Abstimmungsverhalten tatsächlich wie behauptet abgesprochen war. Beziehungsweise woher das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen diese Erkenntnis nimmt. Und ob es tatsächlich nachweisbares Zusammenwirken einzelner Ratsfraktionen gab, welches das Ziel hatte, die neu gebildete Fraktion außen vor zu halten.
Stellungnahmen zum Beschluss des VG Gelsenkirchen
4630.de hat dazu bei den betroffenen Fraktionen bzw. den Fraktionen der Rathauskoalition nachgehakt und folgende Rückmeldungen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen erhalten:
Volker Steude (Stadtgestalter)
Hier die Stellungnahme von Volker Steude von den Stadtgestaltern, die zusammen mit „Die Partei“ die klagende Fraktion bilden:
„Ein guter Tag für die Fraktion „Die PARTEI und die STADTGESTALTER“. Ein schlechter für den Rat der Stadt. Das Verwaltungsgericht bescheinigt den Fraktionen von Grünen, CDU, FDP und UWG, dass sie sich bei den Ausschusswahlen am 17.12.20 rechtswidrig über das Demokratieprinzip hinweg gesetzt haben.
Dabei war die Kungelei völlig unnötig. Mit einer Erhöhung der Zahl der Ausschusssitze auf 17 Mitglieder könnte jede Fraktion mit einem Ausschussmitglied in den Ausschüssen vertreten sein.
Man sollte meinen die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und ganz besonders der CDU hätten Wichtigeres zu tun, als eine wenig zielführende Fehde gegen unsere Fraktion zu führen.“
Burkart Jentsch (SPD im Rat)
Auch wenn die SPD im Rat die größte Fraktion ist, betrifft sie der Beschluss nur mittelbar – denn Auswirkungen auf die Sitze der SPD in den Ausschüssen hat dieser Beschluss erstmal nicht.
„Ratsmitglieder sind in ihrer Meinungsbildung und Entscheidung unabhängig. Davon haben Ratsmitglieder anderer Fraktionen in der letzten Ratssitzung Gebrauch gemacht. Dass die Besetzung von Fachausschüssen zukünftig am „grünen Tisch“ stattfinden soll, ist für mich der falsche Weg.“
Felix Haltt (FDP-Fraktion)
Die FDP-Fraktion ist direkt von dem Urteil betroffen: Denn wenn die Ausschussgröße so bleiben würde wie bisher geplant (15 Personen), dann würden rechnerisch entweder die Fraktion der UWG:Freie Bürger oder aber die FDP-Fraktion ihren einen Sitz mit Stimme in den Ausschüssen verlieren. Insofern erklärt sich aber auch, dass die FDP-Fraktion sich dazu noch nicht äußern will:
„Sowohl FDP-Kreisverband als auch FDP-Ratsfraktion werden den Beschluss erst einmal in Ruhe zur Kenntnis nehmen und dann beraten, welche Folgen daraus resultieren.“
Sebastian Pewny (Grüne im Rat)
Der Vorsitzende der Grünen im Rat kommentiert den Beschluss des Verwaltungsgerichts wie nachstehend und erklärt, dass die vorgeschlagene Vorgehensweise von Volker Steude inhaltlich gar nicht zu dem geplanten Ziel führen würde:
„Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen ist interessant. Ich bin kein Jurist, aber die Feststellung des Gerichts, dass der eingereichte Antrag der advoprax AG, im Namen der Fraktion Die Partei und Stadtgestalter, offensichtlich unzulässig wäre und unstatthaft ist wirft ein schlechtes Licht auf die Auswahl der Kanzlei durch Herrn Dr. Steude und seine Fraktion. Das Gericht wurde aufgrund dieser offensichtlichen Mängel zur Auslegung gezwungen und hat nun bekanntermaßen durch Beschluss entschieden. In dem Verfahren geht es um die Abwägung zwischen Spiegelbildlichkeitsgrundsatz und der Ausübung des freien Mandates. Das Gericht hat hier eine Tendenz zu Gunsten des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes durchblicken lassen. Jetzt kann der Rat entscheiden diese Entscheidung so hinzunehmen oder das Thema grundsätzlich klären zu lassen und durch die Instanzen zu gehen. Das muss man jetzt in Ruhe prüfen und politisch abwägen. Wir wollen endlich in die inhaltliche Arbeit gehen. Das muss, egal wie die Entscheidung ausgeht, im Mittelpunkt stehen. Dafür wurden wir schließlich gewählt.
Bemerkenswert finde ich die Aussage von Herrn Steude, dass bei einer Erhöhung der Ausschusssitze auf 17er Ausschüsse der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz hergestellt werden könne und alle Fraktionen berücksichtigt würden. Das wäre nicht der Fall, denn die zwei hinzukommenden Ausschusssitze würden dann ja gemäß seiner Rechenlogik SPD und GRÜNEN zustehen. Und eine anderweitige Lösung bei 17er Ausschüssen würde seiner eigenen rechtlichen Position und damit dem Ergebnis seiner Klage vor dem VG Gelsenkirchen ebenfalls widersprechen.“
Weitere Stellungnahmen folgen
Sobald es weitere Stellungnahmen gibt, wird dieser Bericht entsprechend aktualisiert.