In diesem Winter startete Mitte Dezember das Familienstück Die wundersame Reise von Edward Tulane (von Kate DiCamillo) im Schauspielhaus Bochum. Die Geschichte um den gleichnamigen Porzellanhasen(!) gehört – jedenfalls, wenn man sich die anderen Stücke der Vergangenheit so anschaut – nicht unbedingt zu den bekanntesten. Das muss aber natürlich kein Nachteil sein – und ist es in diesem Fall auch nicht!
Zur Geschichte (in Kurzform)
Zwei tote Kinder, eines vermisst.
Der Fall, den die beiden Polizisten Ariel (Romy Vreden) und Tupolski (Anna Drexler) aufklären ist grausam. Als Verdächtigen haben sie den eher erfolglosen Schriftsteller Katurian (Karin Moog) im – schon etwas robusteren – Verhör (siehe Bild oben).
Denn es stellt sich die Frage, ob die von ihm geschriebenen Geschichten die Blaupause für die schrecklichen Verbrechen sind… oder gar Insiderwissen?!
Das alles klingt nach einem brutalen Kriminalfall – und doch ist Der Kissenmann nicht nur das, sondern auch was ganz anderes.
Denn der erfolglose Schriftsteller Katurian ist nicht der einzige, der von den – auf eine gewisse Art und Weise bemerkenswerten – Polizisten, die den Fall untersuchen, befragt wird. Katurians leicht zurückgebliebener Bruder Michal (Anne Rietmeijer) wurde von der Polizei auch festgenommen.
Denn auch wenn das Bühnenbild eine eher lauschige Verhörsituation darstellt (statt in einer finsteren Gefängniszelle in einem Kinderzimmer) spielt das ganze doch in einem totalitären Staat, wo Folter durch die Polizei an der Tagesordnung steht und Schriftsteller generell nicht gut angesehen sind. Das merkt man den beiden Polizisten auch an, die auch ihre eigenen Geheimnisse zu haben scheinen.
Nichts ist wie es scheint…
Spätestens mit dem ersten Auftritt von Michal (dargestellt von (der Nachwuchsschauspielerin des Jahres) Anne Rietmeijer) wird offensichtlich, dass dieses Stück Fakten und Fiktionen vermengt und nicht ganz klar ist, was da eigentlich alles dahintersteckt.
Dialoge, die man so nicht erwartet hätte.
Erzählungen, die erstmal augenscheinlich mit der eigentlichen Geschichte kaum was zu tun haben.
Wendungen, die die bekanntgewordenen Entwicklungen wieder in Frage stellen bzw. aus einem anderen Licht erscheinen lassen.
Wenn das Schauspielhaus Bochum selber im Begleittext schreibt, dass McDonagh, der für „seinen Humor der Finsternis berühmt“ ist, mit Der Kissenmann (und der taucht auch noch auf!) eine pulp fiction entworfen hat, die Quentin Tarantino das Fürchten lehren würde – dann kann man dem nach dem Stück nur zustimmen.
Die Schauspielerinnen
Das Original-Stück weist nur männliche Rollen auf – den Schriftsteller, dessen Bruder und die beiden Polizisten. In diesem Stück nehmen Schauspielerinnen alle vier Rollen ein. Und das auf eine herrliche Art und Weise, die es Spaß macht das Stück anzusehen. Ob nun der an sich pedantische, aber gerne auch mal kontrolliert aus der Haut fahrende Inspektor Tupolski, der durch Anna Drexler dargestellt wird und so wirkt, wie man sich einen Inspektor vorstellt. Oder aber sein Kollege Ariel, dessen Interpretation von Romy Vreden so ausdrucksstark ist, dass man diesem Polizisten lieber nicht mal beim Halten im Parkverbot begegnen möchte.
Anne Rietmeijer spielt den leicht zurückgebliebenen Michal, dem ein gewisser Schalk im Nacken sitzt und geht in der Rolle auf, während Karin Moog als Schriftsteller Katurian nicht nur versucht die Unschuld darzulegen, sondern auch um ihr (aus ihrer Sicht) wertvolles Werk bangt.
Meine Meinung
Bravourös und empfehlenswert!
Während das eigentliche Stück deutlich dunkler daher kommt (was man in Bochum auch schon im Theater an der Rottstraße sehen konnte), gelingt es dem Neu-Regisseur Guy Clemens (der hier seine Regiepremiere feiern kann – und das zurecht!) und der Dramaturgin Angela Obst die virtuose Kriminalgeschichte von Martin McDonagh in einem „leichteren“ Format zu präsentieren, so dass es trotz aller Morbidität fast schon beschwingt amüsant daherkommt.
Auch wenn dem Stück in dieser Fassung zumindestens anfangs die bedrohliche Ernsthaftigkeit ein wenig fehlt – diese kommt nachher definitiv wieder auf die Bühne der Kammerspiele und ist im Kinderzimmer-Kontrast auch von einer ganz anderen Wirkung als in einer finsteren Gefängniszelle irgendwo in einem Kellergeschoss.
Beim Pressegespräch zu diesem Stück habe ich auf die Frage, ob Guy Clemens in weiteren Stücken Regie führen wird, eingeworfen, dass das sicherlich auch von den Kritiken und Reaktionen auf den Kissenmann abhängen würde…
Demnach kann man sicherlich weiteres von Guy Clemens erwarten!