Update 01.10.2023 (17:40 Uhr): Neue Fraktion im Bochumer Stadtrat: Linksfraktion zerfällt – wegen Beitragsrückständen und Sarah Wagenknecht?
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Update 01.10.2023 (17:40 Uhr): Neue Fraktion im Bochumer Stadtrat: Linksfraktion zerfällt – wegen Beitragsrückständen und Sarah Wagenknecht?

Zusammenfassung

Die Ratsfraktion der Linkspartei in Bochum löst sich auf: 3 Mitglieder treten aus Partei und Fraktion aus und gründen neue Fraktion.

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Aktualisierungshinweis: Der Artikel wurde zwischenzeitlich aktualisiert: hier geht es direkt zur Aktualisierung mit einer Stellungnahme des Linken-Kreisvorstandes.

Es hatte sich in den letzten Wochen und Monaten schon angedeutet, dass es in der Linkspartei nicht nur auf der Bundesebene Streit gibt, sondern auch vor Ort in Bochum. Die WAZ Bochum berichtete mehrfach darüber – zuletzt Ende August (Streit: Linke in Bochum klagen gegen eigenes Parteimitglied). Das ganze ist jetzt wohl endgültig eskaliert:

Rathaus Bochum (Glocke vom Bochumer Verein)Quelle: eigen | All Rights Reserved
Rathaus Bochum (Glocke vom Bochumer Verein)

Denn die drei Ratsmitglieder Gültaze Aksevi (ehemalige Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt Bochum und Bezirksvertreterin im Bochumer Süden), Mehriban Özdogan und Mehtap Yildirim (auch Bezirksvertreterin in Bochum-Mitte) treten aus der Partei und Fraktion der Linken in Bochum aus und gründen eine neue Fraktion. Die bisherige Linksfraktion gibt es dann nicht mehr, da die beiden verbliebenen Ratsmitglieder der Linken nicht genug Mitglieder für eine Fraktion sind.

Frieden, Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (FASG)

Unter diesem Namen werden die drei Ratsmitglieder, die schon mal zumindest bei der letzten Ratssitzung nicht mehr anwesend waren, eine eigene neue Fraktion im Rat der Stadt Bochum gründen.

In der Austrittserklärung, die 4630.de vorliegt (Aktualisierung: und die hier jetzt auch abrufbar ist: Austrittserklärung) wird erklärt, dass die Parteispitze (auf Bundesebene) die Linkspartei „auf einen katastrophalen Kurs gebracht“ habe. Insbesondere werden dort drei Punkte kritisiert:

  1. Eine „selbstzerstörerische Sanktionspolitik der Ampel“, durch die sich die Lebenssituation der großen Bevölkerungsteile massiv verschlechtert hat – und die Mittragung durch die linke Spitze davon.
  2. Forderungen aus der Linken-Parteispitze nach Waffenlieferungen an die Ukraine, da diese im Gegensatz zur „konsequenten Friedenspolitik und der friedenspolitischen Programmatik der Linken“ stehen würde.
  3. Aufgabe des „pluralistischen Charakters der Linken“, wonach durch die Parteispitze die Linkspartei zur Sekte würde, was „der Weg in den Untergang“ bedeuten würde. Und das würde man auch in Bochum sehen.

Am letzten Punkt, dass man das auch in Bochum so sehen würde, ist bemerkenswert, dass mit Mehtap Yildirim (bisherige Sprecherin des Kreisverbandes Die Linke Bochum) und Gültaze Aksevi (langjährige Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Rat der Stadt Bochum) zwei exponierte Vertreterinnen der Linken in Bochum dabei sind. Wenn man sich die Berichterstattung in den letzten Wochen und Monaten über die Zahlungsmoral von manchen Parteimitgliedern anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, dass das vielleicht auch ein – natürlich nicht selbst genannter – Grund sei.

Die neue Fraktion im Rat der Stadt Bochum soll „Frieden, Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (FASG) heißen – was spontan an die Wahlalternative WASG erinnert, die damals von Oskar Lafontaine nach seinem Austritt aus der SPD gegründet wurde (und die im weiteren Verlauf dann zu einer der beiden Vorgängerorganisation der Partei „Die Linke“ wurde).

Weitere Konsequenzen (auch vor Ort in Bochum)?

Welche weiteren Konsequenzen das z.B. für die verbliebenen Mandatsträger der Linken im Bochumer Rat und den Bezirksvertretungen hat, wird sich noch zeigen.

Wer jetzt eine Wette darauf abschließen würde, dass eine etwaige zu gründende Partei von Sarah Wagenknecht, damit schon in einer Stadt eine kommunale Mandatsvertretung hat, würde vermutlich niemanden finden, der dagegen wettet. Fraglich nur, ob der Name der neuen Bochumer Fraktion nur für Bochum so bleibt oder aber auch vielleicht bundesweit genutzt werden soll.

Aktualisierung (01.10.2023 um 17:40 Uhr): Die Linke Bochum bezieht Stellung

4630.de dokumentiert nachfolgend die vollständige Pressemitteilung des Kreisvorstandes der Bochumer LINKEN und von DIE LINKE im Rat der Stadt Bochum:

Austritt von drei Ratsmitgliedern schwächt soziale und friedliche Opposition in Bochum

Drei nun ehemalige Ratsmitglieder unser Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Bochum haben ihren Parteiaustritt erklärt. Mehtap Yildirim, bisherige Kreissprecherin, Gültaze Aksevi, Besitzerin im Vorstand, und Mehriban Özdogan nehmen zudem ihre über die Liste der LINKEN gewonnenen Mandate mit und kündigen die Gründung einer neuen Ratsfraktion an. Die Austrittserklärung wurde während der letzten Ratssitzung am vergangenen Donnerstag verfasst, bei der die drei Ratsmitglieder zum wiederholten Mal nicht anwesend waren. Die Autoreigenschaft der angefügten Word-Datei legt den Schluss nahe, dass die Austrittserklärung auf dem Laptop der Wahlkreismitarbeiterin von Sevim Dagdelen verfasst wurde.

Der Kreisvorstand der Bochumer LINKEN und DIE LINKE im Rat der Stadt Bochum erklären dazu:

„Der Partei- und Fraktionsaustritt von Mehtap Yildirim, Mehriban Özdogan und Gültaze Aksevi erfolgt aus dem Nichts und die vorgeschobene Begründung wurde bisher kein einziges Mal kommuniziert. Ohnehin nehmen die drei Ratsmitglieder seit Monaten nicht an Rats- und Ausschusssitzungen teil und bringen sich trotz herausgehobener Ämter nicht aktiv in die Arbeit der Kreispartei ein. Kritische Äußerungen zum Kurs der Partei oder sogar der Bochumer Linksfraktion, deren Mehrheit sie stellten, sind von den drei ausgetretenen Mitgliedern nicht bekannt. Die Bochumer LINKE steht für offene und stets in der Sache geführte Debatten und hat sich immer wieder kritisch zum Kurs der Bundespartei geäußert. Pluralismus wird in Bochum großgeschrieben, bedingt aber Anwesenheit und aktives Einbringen in die demokratischen Debatten. Yildirim, Özdogan und Aksevi haben leider die politische Arbeit, für die sie von der Partei und den Wählerinnen und Wählern mit Ämtern und Mandaten ausgestattet wurden, seit langer Zeit verweigert. Das schwächt das Vertrauen in die Demokratie. Voller Einsatz für soziale Gerechtigkeit sieht jedenfalls anders aus. Die Linksfraktion hat die drei Ratsmitglieder aus diesem Grund bereits am 04.09.2023 zur Rückgabe ihrer Mandate aufgefordert.

Uns irritiert zudem, dass die Word-Datei der Austrittserklärung den Schluss nahelegt, dass diese auf dem Laptop der Wahlkreismitarbeiterin von Sevim Dagdelen verfasst wurde und so erwartbar aus Äußerungen der Bundestagsabgeordneten zusammen kopiert wurde. Die bei sozialen Bewegungen und vielen Menschen in Bochum anerkannte Arbeit unserer Linksfraktion kommt daher auch mit keiner Silbe darin vor. Die Arbeit wird nun durch den Fraktionsaustritt geschwächt und Beschäftigte, die auch von den drei Ratsmitgliedern eingestellt wurden, ohne vorheriges Gespräch und Beachtung von Sozialverträglichkeit in die Arbeitslosigkeit geschickt. Wie das mit dem Anspruch von sozialer Gerechtigkeit vereinbar sein soll, bleiben Yildirim, Aksevi und Özdogan schuldig.

Mit dem Austritt und der Mitnahme der Mandate geht es um eigene Interessen. Alle drei Ratsmitglieder sind der Partei bisher beträchtliche Mandatsträgerabgaben schuldig geblieben. Gegen zwei Ratsmitglieder klagt die Partei deshalb vor dem Landgericht Bochum und beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Wer den Einsatz für soziale Gerechtigkeit durch eigene finanzielle Interessen ersetzt, sollte sich fragen, ob die Mitgliedschaft im Bochumer Rat noch im Sinne der Mehrheit der Menschen in unserer Stadt ist. Dass Gültaze Aksevi an ihre Mitgliedschaft in der Linksfraktion im Ruhrparlament festhalten will, um weiter Sitzungsgelder für Fraktions- und Vorbereitungssitzungen zu kassieren, spricht für sich. Auch Sevim Dagdelen soll der Bundes- und Landespartei Mandatsträgerabgaben schuldig geblieben sein. Die öffentlich angekündigte Rückzahlung scheint bisher nicht erfolgt zu sein. Wir fordern, Gültaze Aksevi, Mehriban Özdogan und Mehtap Yildirim zur Rückgabe aller ihrer Mandate auf. Wer seine Mandate so selten ausübt und einzig auf den eigenen finanziellen Vorteil schielt, gefährdet das Vertrauen in die Demokratie und schwächt die dringend notwendige soziale Opposition. Als LINKE setzen wir uns weiter für Frieden und soziale Gerechtigkeit ein und suchen den engen Schulterschluss mit den Initiativen in unserer Stadt.“

Auch in Duisburg scheint sich – hier jedoch innerhalb der LINKEN – eine Gruppierung unter dem identischen Namen FASG („Frieden, Arbeit und soziale Gerechtigkeit“) zu bilden.

Aus Gründen der vollständigen Dokumentation jetzt nachfolgend auch noch die Austrittserklärung.

Austrittserklärung der drei Ratsmitglieder – und Erklärung der Gründung der neuen Fraktion

Hier die Austrittserklärung der drei ehemaligen Linken-Ratsmitglieder:

Austritt aus Partei und Fraktion DIE LINKE Bochum
Für Frieden, Arbeit und Soziale Gerechtigkeit

Hiermit erklären wir unseren Austritt aus der Partei DIE LINKE und der Fraktion DIE LINKE Bochum.

Die Parteispitze hat DIE LINKE auf einen katastrophalen Kurs gebracht.

Wir sehen die Fehlentwicklungen als nicht mehr korrigierbar an und ziehen deshalb die nötigen Konsequenzen. Es ist für uns sehr bedauerlich, dass sich die Parteispitze mit ihrer Politik weit vom Programm entfernt hat. Wir kritisieren insbesondere drei Punkte:

1. Die selbstzerstörerische Sanktionspolitik der Ampel, die folglich die Lebenssituation der großen Bevölkerungsteile durch die hohen Preise massiv verschlechtert, wird von der linken Spitze mitgetragen.
Teilweise wird sogar noch eine Verschärfung dieser unsozialen Politik eingefordert, die insbesondere auch Migrantinnen und Migranten trifft. Dies steht im Widerspruch zum Programm der Linken, als auch gegen das Selbstverständnis einer linken Partei als soziale Kraft.

2. Die Forderungen aus der Parteispitze nach Waffenlieferungen an die Ukraine stehen im Widerspruch zu einer konsequenten Friedenspolitik und der friedenspolitischen Programmatik der Linken. Wir können nicht weiterhin Mitglied in einer Partei sein, deren führende Vertreter sich für Waffenexporte in ein Kriegsgebiet einsetzen.

3. Der pluralistische Charakter der Linken wurde aufgegeben. Die Parteispitze macht DIE LINKE zu einer Sekte. Das ist der Weg in den Untergang, den wir nicht mittragen wollen. Dieselbe Entwicklung sehen wir auch in Bochum.

Wir werden weiter, auch im Rat in Bochum, für eine Politik streiten, für die wir von den Bürgerinnen und Bürger gewähltwurden. Deshalb werden wir ab sofort eine eigene Fraktion im Rat der Stadt Bochum mit dem Namen „Frieden, Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (FASG) gründen.

Mehriban Özdogan
Gültaze Aksevi
Mehtap Yildirim

Spannend bleibt nun, wie es mit etwaigen weiteren Mandaten aussieht. Denn wenn man der Erklärung des Linken-Kreisvorstandes glauben kann, dann will Gültaze Aksevi ihr Mandat im Ruhrparlament behalten. Was ist aber mit ihrem Mandat in der Bezirksvertretung Bochum-Süd? Auch Mehtap Yildirim hat noch ein weiteres Mandat (hier in der Bezirksvertretung Bochum-Mitte). Dahingehend – und sicherlich auch in Bezug auf andere Fragen – bleibt es spannend.

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