Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum hat untersucht, warum die Zugehörigkeit zu Minderheiten in Medienberichten überproportional oft genannt wird. Die Ergebnisse sprechen nicht für bewusste Abwertung, sondern für ein grundlegendes kognitives Prinzip: Menschen greifen bevorzugt zu seltenen oder auffälligen Informationen. Da viele Nachrichten negativ sind, kann dies die Wahrnehmung verzerren. Die Studie wurde am 1. Dezember 2025 in „Social Psychological and Personality Science“ veröffentlicht.
Quelle: RUB/Marquard | All Rights ReservedAuch bei positiven Ereignissen werden Minderheitenmerkmale häufiger betont
In fünf Studien mit mehr als 900 Teilnehmenden zeigte sich: Wird eine Person einer Minderheit zugeordnet, wird deren Herkunft in Nachrichten deutlich öfter erwähnt als bei Angehörigen der Mehrheit.
Anna Schulte erklärte dazu:
„Die Ergebnisse zeigten, dass die Herkunft mehr als dreimal so häufig genannt wurde, wenn der Täter einer Minderheit angehörte – unabhängig davon, ob die Teilnehmenden selbst einer Minderheit angehörten.“
Um auszuschließen, dass Vorurteile die Ursache sind, wiederholte das Team den Versuch mit positiven Ereignissen wie Lottogewinnen oder wissenschaftlichen Erfolgen. Dort trat der Effekt sogar noch stärker auf.
Anna Schulte sagte weiter:
„Diese Studie ist besonders zentral, da sie zeigt, dass es primär um die kommunikative Hervorhebung distinkter Merkmale geht und nicht um eine spezifisch negative Darstellung von Minderheiten.“
KI verstärkt diese Muster zusätzlich
Das Forschungsteam legte dieselben Aufgaben sechs großen Sprachmodellen vor. Die KI-Systeme erwähnten Minderheitenzugehörigkeit noch häufiger als menschliche Teilnehmende.
Anna Schulte führte aus:
„Die Befunde legen nahe, dass KI-Modelle statistische Muster aus ihren (von Menschen erzeugten) Trainingsdaten übernehmen und dabei bestehende Kommunikationstendenzen übergeneralisiert wiedergeben. Hier besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf.“
Das daraus entstehende Minderheitendilemma
Laut den Forschenden liegt keine bewusste Abwertung vor. Dennoch führt der Mechanismus dazu, dass Minderheiten in den Medien sichtbarer werden – vor allem in negativen Kontexten. Dies bezeichnet das Team als „Minderheitendilemma“.
Was Redaktionen daraus ableiten können
Herkunft grundsätzlich nie zu nennen, kann als Informationslücke erscheinen. Herkunft immer zu nennen, wirkt dagegen schnell überladen. Eine mögliche Alternative liegt in der Verwendung anderer unterscheidbarer, aber unproblematischer Merkmale, etwa der Geburtsstadt. Dies soll in weiteren Projekten untersucht werden.
Für Redaktionen, die KI einsetzen, ergibt sich zudem: Sprachmodelle können Verzerrungen aus Trainingsdaten stärker verstärken als Menschen. Wer KI nutzt, sollte diese Risiken kennen und berücksichtigen.






