31 neue Stolpersteine in Bochum erinnern an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
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31 neue Stolpersteine in Bochum erinnern an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Zusammenfassung

31 neue Stolpersteine erinnern seit Dezember 2021 an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Bochum.

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Seit über 17 Jahren werden in Bochum die Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig verlegt. Damit wird den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht, die in der Zeit des Nationalsozialismusses deportiert, ermordet, verfolgt, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Dort, wo sie zuletzt in Bochum gelebt bzw. gewirkt haben.

Kohlengräberland: Gunter Demnig verlegt den 300. Stolperstein in Bochum für die jüdische Familie Ortheiler aus Gerthe.Quelle: Stadt Bochum | All Rights Reserved
Kohlengräberland: Gunter Demnig verlegt den 300. Stolperstein in Bochum für die jüdische Familie Ortheiler aus Gerthe.

Stolpersteine in Bochum

Der erste Stolperstein in Bochum wurde damals zugunsten der Schauspielerin Terka Csillag vor ihrer Wirkungsstätte, dem Schauspielhaus Bochum, in den Boden eingelassen. Seitdem sind in Bochum, wo sich das Stadtarchiv für das Projekt Stolpersteine verantwortlich zeigt, inzwischen 314 Stolpersteine verlegt worden.

Stolpersteine für die jüdische Familie Preger an der Dorstener Straße.Quelle: Stadt Bochum | All Rights Reserved
Stolpersteine für die jüdische Familie Preger an der Dorstener Straße.

Stolperstein-Verlegung am 14. Dezember 2021

In dieser Woche wurden in Bochum weitere 31 Stolpersteine durch Gunter Demnig verlegt. Damit wurde 31 Menschen gedacht, die als Juden verfolgt wurden, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer politischen Tätigkeit oder weil sie als „Asoziale“ stigmatisiert wurden. Zahlreiche Stolpersteinpaten beteiligen sich seit 2004 an dem Projekt, mit dem Gunter Demnig in ganz Europa unterwegs ist, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. Die Verlegung der Stolpersteine ist in Bochum ein Projekt, das mitten aus der Bevölkerung kommt. Viele unterschiedliche Gruppen wie Schulklassen, Parteien, Vereine, aber auch Einzelpersonen forschen zu den jeweiligen Opfern und tragen so zur dauerhaften Erinnerung an die Schrecknisse dieser Zeit bei. Mit finanzieller Unterstützung des Projekts „Farbe bekennen – Demokratie leben“ der Bundesregierung wird Gunter Demnigs Kunstaktion „Stolpersteine“ vom Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte in enger Kooperation mit dem Kinder- und Jugendring koordiniert.

Stolpersteine für die jüdische Familie Lustmann. Als Siebzehnjährige war Suzanne Lustmann mit ihrer Familie nach Polen deportiert worden und kehrte nie zurück. Vor einhundert Jahren wurde sie in Bochum geboren.Quelle: Stadt Bochum | All Rights Reserved
Stolpersteine für die jüdische Familie Lustmann. Als Siebzehnjährige war Suzanne Lustmann mit ihrer Familie nach Polen deportiert worden und kehrte nie zurück. Vor einhundert Jahren wurde sie in Bochum geboren.

Gedenken an Dr. Hans Buxbaum

Auf dem Hans-Schalla-Platz, dem Vorplatz des Schauspielhauses Bochum, wurde ein neuer Stolperstein verlegt. In direkter Nähe zum ersten Stolperstein für Terka Csillag wurde ein neuer Stein verlegt. Dieser erinnert an das Schicksal von Dr. Hans Buxbaum, der von 1926 – 1933 stellvertretender Intendant sowie Oberspielleiter am Bochumer Theater war. Als Jude, Sozialdemokrat und schwuler Mann wurde Dr. Hans Buxbaum vom NS-Regime gleich dreifach verfolgt. Während des Zweiten Weltkriegs musste er nach England fliehen, wo er 1947 verstarb.

Neuverlegung Stolperstein Dr. Hans Buxbaum (1. März 2022)Quelle: Jürgen Wenke
Neuverlegung Stolperstein Dr. Hans Buxbaum (1. März 2022)

Trotz seiner Verdienste für das Schauspielhaus ist Hans Buxbaum heute aus der Erinnerung der Stadt Bochum weitestgehend verschwunden. Vor diesem Hintergrund informierte das Schauspielhaus über das Leben des Theatermachers. Dazu begrüßte Dramaturg Vasco Boenisch im Namen des Schauspielhauses, aber auch in Namen von Jürgen Wenke (dem Initiator der Aktion), die Anwesenden auf dem Vorplatz des Schauspielhauses. Die Ensemble-Mitglieder Jele Brückner und Karin Moog gaben dabei unter dem Titel Was bleibt, wenn der Vorhang fällt? einen Einblick in den „Lebensweg des Oberspielleiters und stellvertretenden Intendanten am Stadttheater Bochum: Dr. Hans Buxbaum“, der „dreifach gefährdet [war]: Sozialdemokrat, schwul, jüdisch“. Das ganze basierte auf einem Dossier von Jürgen Wenke.

So kam Buxbaum (dem teilweise auch die Vornamen „Johann Wolfgang“ nachgesagt wurden) nach ersten beruflichen Stationen in Dresden, Kiel, Frankfurt am Main und Wiesbaden ab 1926 zum Bochumer Stadttheater. Dort wurde er Stellvertreter von Saladin Schmitt, dem damaligen Theaterleiter. Er war dort ein gefeierter Regisseur, seine Inszenierungen fanden stets positiven Anklang und er sei „durchaus in der Lage […] eine größere Bühne selbständig zu leiten“ – so aus einem Geleitschreiben von Wilhelm Stumpf, dem damaligen Kulturstadtrat von Bochum, im Rahmen einer (erfolglosen) Bewerbung Buxbaums an ein anderes Theater (als Leiter).

Kurze inhaltliche Einführung in das Leben von Dr. Hans Buxbaum, dessen Stolperstein zur Erinnerung auf dem Hans-Schalla-Platz vor dem Schauspielhaus Bochum verlegt wurdeQuelle: Jens Matheuszik
Kurze inhaltliche Einführung in das Leben von Dr. Hans Buxbaum, dessen Stolperstein zur Erinnerung auf dem Hans-Schalla-Platz vor dem Schauspielhaus Bochum verlegt wurde

Nachdem seine Versuche die berufliche Karriere auszubauen, blieb Buxbaum dem Stadttheater Bochum verbunden und noch Mitte Januar 1933 rezensierte der Bochumer Stadtanzeiger zwei Stücke von Buxbaum äußerst positiv und hebt dabei auch die Begeisterung beim Publikum hervor. Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endet dieses Kapitel, denn keine Woche nach den Reichstagswahlen im März 1933 wurde „der Oberspielleiter Dr. Buxbaum […] am 11. März 1933 wegen nichtarischer Abstammung seiner Stellung enthoben“. Eine dauerhafte neue Anstellung konnte Buxbaum nicht erhalten, da inzwischen der NS-Staat die Kultur gleichgeschaltet hatte und man ohne Zugehörigkeit zur Reichskulturkammer bzw. einer der Abteilungen (wie z.B. der Reichstheaterkammer) nicht künstlerisch arbeiten durfte. Da ohne den sogenannten „Ariernachweis“ eine Mitgliedschaft dort nicht möglich war, gab es hier keinerlei Chance.

Nach einer Zwischenstation in Straßburg kehrte Buxbaum zurück nach Nazideutschland und wurde 1935 in Hamburg künstlerischer Leiter des jüdischen Kulturbundes. Doch Anfang Juni 1938 kurz vor einer neuen Premiere („Das Extemporale“) erhält Buxbaum eine anonyme Warnung – den § 175 StGB betreffend, den sogenannten „Homosexuellenparagraph“, der von den Nazis noch verschärft wurde. Er meldet sich erst krank und meldet sich im Rahmen eines „Krankheitsurlaubes“ ins Ausland ab.

Gunter Demnig lässt den Stolperstein zur Erinnerung an Dr. Hans Buxbaum auf dem Hans-Schalla-Platz vor dem Schauspielhaus Bochum einQuelle: Jens Matheuszik | All Rights Reserved
Gunter Demnig lässt den Stolperstein zur Erinnerung an Dr. Hans Buxbaum auf dem Hans-Schalla-Platz vor dem Schauspielhaus Bochum ein

Über Dänemark gelangt Buxbaum nach London und im Rahmen seiner Erklärung der politischen Flucht macht er eine handschriftliche Ergänzung: „Als Referenz gebe ich an: Den Genossen Rawitzki, 3 Eton Avenue, langjähriger sozialdemokratischer Stadtverordnetenvorsteher in Bochum“. Hierbei handelte es sich um den späteren Kulturausschussvorsitzenden und Ehrenbürger Bochums Carl Rawitzki, den Buxbaum in London wiedertraf.

In London war Buxbaum am Widerstand gegen die Nazis involviert und wurde von der BBC für deutschsprachige Sendungen engagiert. Im Gegensatz zu seiner Theaterkollegin Terka Csillag überlebte er den zweiten Weltkrieg – jedoch nicht lange. Denn Dr. Hans Buxbaum starb am 24. Juni 1947 in London an einem Herzinfarkt. Nun erinnertein Stolperstein an ihn:

Stolperstein: Dr. Hans Buxbaum (neu März 2022), vor dem EinbauQuelle: Jürgen Wenke
Stolperstein: Dr. Hans Buxbaum (neu März 2022), vor dem Einbau

Liste der neuen Stolpersteine

Nachfolgend eine Liste der neuen 31 Stolpersteine in Bochum:

  • Hauptstr. 192 (Bochum Langendreer): Karl Weidenbaum und Johanne Schiff (jüdisch, Vater und Tochter)
  • Lothringer Str. 6 (Bochum Gerthe): Moritz und Lotte Reiß (jüdisch, Ehepaar) Moritz und Ida Rosenthal (jüdisch, Ehepaar)
  • Lothringer Str. 7 (Bochum Gerthe): Albert, Rahel, Fritz und Hans Ortheiler (jüdisch, Ehepaar und zwei Söhne)
  • Hüller Straße 43 f (Bochum Wattenscheid): Martin Paul, Berta, Herbert, Günter und Hermann Remus (sog. „Asoziale“, Ehepaar und drei Söhne)
  • Voedestr. 29 (Bochum Wattenscheid): Dr. Alfred, Ilse und Frederik Cohn (jüdisch, Ehepaar und ein Sohn)
  • Königsallee 15 (Ehrenfeld): Dr. Hans Buxbaum (jüdisch, sozialdemokratisch, homosexuell)
  • Kronenstr. 48 (Ehrenfeld): Theodor Brockmann (homosexuell)
  • Schmidtstr. 87b (Griesenbruch): Lea, Karl, Adela, Suzanne und Max Lustmann (jüdisch, Ehepaar mit drei Kindern)
  • Dorstener Str. 94 (Hamme): Max Muno, Margret und Günter Preger (jüdisch, Vater und zwei Kinder)
  • Bongardstr. 14 (Innenstadt): Hilde, Max und Berta Pander (jüdisch, Ehepaar und eine Tochter)

Nachtrag März 2022:

Am 1. März 2022 wurde vor dem Schauspielhaus Bochum ein neuer Stolperstein für Dr. Hans Buxbaum verlegt – als Ersatz für den Stolperstein, der im Dezember 2021 mit einem Fehler in der Inschrift verlegt worden war.
Zwei der Fotos hier im Beitrag wurden daraufhin entsprechend ausgetauscht.

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