Wattenscheid hat einen neuen Bezirksbürgermeister: Holger Dünnebacke von der SPD wurde in der konstituierenden Sitzung der Bezirksvertretung Wattenscheid am Dienstag, dem 4. November 2025, zum neuen Bezirksbürgermeister und damit zum Nachfolger von Marc Westerhoff (CDU) gewählt. Dieser ist jetzt sein erster Stellvertreter – doch die Diskussion im Rathaus Wattenscheid direkt an dem Tag und auch jetzt noch bestimmte eher der zweite Stellvertreter…
Quelle: Jens Matheuszik | All Rights ReservedKommunalwahl 2025: keine klaren Mehrheiten
Aber fangen wir mal an – am besten mit der Kommunalwahl 2025 vom 14. September. Diese hatte folgendes Ergebnis für die Sitzverteilung in der Bezirksvertretung Bochum-Wattenscheid ergeben:
Quelle: 4630.de | All Rights ReservedSiehe auch: Wahlergebnisse Bezirksvertretung Bochum-Wattenscheid (14.09.2025)
Während nach der vorherigen Kommunalwahl (vor fünf Jahren: 2020) die rot-grüne Koalition sich einen weiteren Koalitionspartner aussuchen konnte (zwischen FDP und die Linke; und dann sich am Ende für die FDP entschied), waren die Mehrheitsverhältnisse jetzt diffuser. Insbesondere nachdem zuletzt Hans-Peter Herzog (SPD), der ursprüngliche Bezirksbürgermeister von Wattenscheid seit 2020, durch ein Abwahlverfahren, welches maßgeblich durch (damalige) Teile der SPD initiiert wurde, abgewählt wurde. An seiner statt wurde damals Marc Westerhoff von der CDU zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt, der mit großer Wahrscheinlichkeit vermutlich nur dank der Stimme eines für die AfD 2020 angetretenen Bezirksvertreters gewählt worden ist.
Stärkste Fraktion bei der jetzt stattgefundenen Wahl zur Bezirksvertretung Wattenscheid wurde die SPD mit 5 Mandaten, die CDU und die AfD folgen jeweils mit 4 Mandaten, danach dann UWG:Freie Bürger jeweils mit 2 Mandaten – und es gab jeweils ein Mandat für die Linke und die Wattenscheider Chance (mit dem ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden in Wattenscheid an der Spitze, der das Abwahlverfahren forciert hatte).
Wer wird Bezirksbürgermeister?
Um Bezirksbürgermeister (BBM) zu werden, muss man im Rahmen des Zählverfahrens den ersten Platz bei der Liste der BBM-Kandidaten bekommen.
Das verwendete Zählverfahren nach d‘Hondt wird unten weiter erklärt. Um es vereinfacht auszudrücken: je mehr Stimmen man für seinen Listenvorschlag hat, umso sicherer ist es.
Für die Position des BBM hatte die SPD ihren Spitzenkandidaten Holger Dünnebacke vorgesehen. Da die SPD – inzwischen wieder – die stärkste Fraktion in der Bezirksvertretung Wattenscheid stellt, kein ungewöhnlicher Anspruch.
Es waberten jedoch Gerüchte herum, dass auch andere noch Ansprüche stellen würden, im Endeffekt gab es aber einen gemeinsamen Listenvorschlag von SPD, CDU, UWG: Freie Bürger und Grünen. Damit sollte dann unter anderem Holger Dünnebacke von der SPD zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt werden. Das klappte auch:
Quelle: Jens Matheuszik | All Rights ReservedAnzahl der stellvertretenden Bezirksbürgermeister
Im Vorfeld der Sitzung hatte die AfD einen Antrag eingereicht, wonach die Bezirksvertretung drei stellvertretende Bezirksbürgermeister wählen sollte (in der Vergangenheit waren es zwei). In einem gemeinsamen Antrag sprachen sich die Bezirksfraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und UWG:Freie Bürger dafür aus, es bei zwei Stellvertretern zu belassen.
In der Antragsbegründung fiel der AfD-Vertreter dadurch auf, dass er kaum zur Sache (also zwei oder drei stellv. BBMs) sprach, sondern eher meinte sein Weltbild, seine Analyse zur Lage der Nation im Bund usw. darzulegen. Der Sitzungsleiter verwies erst nach dieser Rede darauf, dass man eigentlich zur Sache zu reden habe und nutzte auch die neuen Spielräume der Gemeindeordnung bei Verstößen dagegen nicht.
Am Ende entschied sich die Bezirksvertretung mehrheitlich für die Wahl von zwei Stellvertreterinnen bzw. Stellvertretern für den BBM.
Wahl der stellvertretenden Bezirksbürgermeister
Auf dem gemeinsamen Listenvorschlag, mit dem auch Holger Dünnebacke zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt wurde, standen in der weiteren Folge Marc Westerhoff (CDU) und Katja Kanthack (UWG: Freie Bürger).
Das ganze wird gemäß des bereits oben erwähnten Wahlverfahrens nach d‘Hondt gewählt und der gemeinsame Listenvorschlag sah dann vor, dass die beiden dann erster Stellvertreter bzw. zweite Stellvertreterin werden sollten.
Was angesichts der kommunalpolitischen bzw. parlamentarischen Vorgehensweise eine seit Jahrzehnten bewährte Praxis darstellte.
Ergebnisverkündung
Als dann das Wahlergebnis verkündet wurde, war die Verwirrung erstmal groß. Nicht nur, weil bei der Verkündung etwas unter Umständen verwirrend gesagt wurde. Denn die eine Stimme, die als Enthaltung abgegeben wurde, wurde nicht als gültige Stimme bezeichnet. Im Umkehrschluss könnte man hier von einer ungültigen Stimme sprechen, aber auch das ist nicht korrekt.
Es gibt andere Abstimmungsverfahren, wo es wichtig ist, ob eine Stimme gültig oder ungültig oder eine Enthaltung ist – hier beim Verfahren nach d‘Hondt nicht.
Enthaltung ist nicht ungültig
Beim Vortragen des Ergebnisses wurde bekannt, dass der erste Listenvorschlag 13 Stimmen bekommen hatte. Der zweite Listenvorschlag 5 Stimmen – und dass es eine Enthaltung gab. So weit so richtig bei 19 Mitgliedern der Bezirksvertretung. Eine weitere abgegebene Stimme war quasi eine Enthaltung und votierte für keine der beiden Listen. Insofern keine gültige Stimme, aber für die Feststellung des Ergebnisses ist es jedoch an und für sich unerheblich. Denn hier zählen nur die Stimmabgaben für die Liste. Und sowohl eine ungültige Stimme wie auch eine Enthaltung hätte für keine der beiden Listen gestimmt, und insofern ist es irrelevant ob das jetzt eine ungültige Stimme oder eine Enthaltung war.
Bei der geheimen Wahl wurden dann über die Listenvorschläge folgende Personen gewählt:
- Bezirksbürgermeister Holger Dünnebacke (SPD) – Liste 1 –
- erster stv. Bezirksbürgermeister Marc Westerhoff (CDU) – Liste 1 –
- zweiter stv. Bezirksbürgermeister Cedric Sontowski (AfD) – Liste 2 –
Der Listenwahlvorschlag 2 hatte insgesamt 5 Stimmen bekommen und somit muss noch irgendeiner aus der Bezirksvertretung aus Wattenscheid, der nicht zur AfD-Fraktion gehört (deren vier Vertreter übrigens alle nicht aus Wattenscheid stammen oder dort wohnen), diesen Wahlvorschlag mitgewählt haben.
Hätte dieser Listenvorschlag nur die vier Stimmen bekommen, die die AfD hat, dann wäre Katja Kanthack (UWG: Freie Bürger) von Liste 1 gewählt worden.
Aufgrund des Berechnungsverfahrens nach d‘Hondt sind übrigens in dieser speziellen Konstellation die „ungültige“ Stimme (oder die Enthaltung) irrelevant. Oder aber anders ausgedrückt: entscheidend für die Wahl des AfD-Kandidaten als zweiten Bezirksbürgermeister war die fünfte Stimme für diese zweite Liste. Selbst wenn alle anderen die erste Liste gewählt hätten (also 14 Stimmen für Liste 1), dann hätte nach d‘Hondt die Liste 2 bei 5 Stimmen den Zuschlag für diese Position bekommen.
Konsequenzen?
Das große Listenbündnis, welches es als Ziel hatte einen AfD-Kandidaten als (stellvertretenden) Bezirksbürgermeister zu verhindern, ist damit gescheitert. Man muss sich hier fragen, inwiefern Absprachen vor Ort nicht eingehalten worden. Oder man kann es noch deutlicher formulieren, wie es Oliver Buschmann von den Grünen gemacht hat:
„Es reicht nicht, dass ich die nächsten fünf Jahre mit vier Rechtsextremen in diesem Gremium sitze. Jetzt ist auch noch ein Verräter an unserem demokratischen System dazugekommen.“
Die Kommunalpolitik in Wattenscheid bleibt spannend… und es wird auch spannend, was in den weiteren politischen Gremien der Stadt Bochum, die sich in diesen Tagen konstituieren (Rat der Stadt Bochum und die weiteren Bezirksvertretungen), passieren wird.
Aktualisierungshinweis: Der ursprüngliche Text zum Procedere der BBM-Wahl wurde etwas aktualisiert und vor allem konkretisiert.






