Am Freitag, den 11. April 2025, feierte das Stück Trommeln in der Nacht in einer Neubearbeitung seine Premiere im Schauspielhaus Bochum.

Ein Klassiker: Trommeln in der Nacht von Bertolt Brecht
Das Drama Trommeln in der Nacht wurde 1919/20 von Bertolt Brecht geschrieben und 1922 uraufgeführt. Es gehört zu Brechts frühen Stücken und spielt im Berlin der Nachkriegszeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg.
Im Zentrum steht der Kriegsheimkehrer Andreas Kragler, der feststellen muss, dass sich während seiner Abwesenheit alles verändert hat: Seine Verlobte Anna ist mit einem anderen Mann verlobt, ihre Eltern sind im Kriegsgewinnlertum verstrickt. Während in Berlin der Spartakusaufstand tobt, steht Kragler vor der Entscheidung, ob er sich dem revolutionären Kampf anschließen oder in sein altes Leben zurückkehren will. Aber auch Anna muss sich entscheiden, ob sie sich eher für den politischen Aktivismus oder für die Sicherheit, für die das große, weiße Bett steht, entscheidet.
Brecht zeichnet in dem Stück das Bild einer orientierungslosen Nachkriegsgesellschaft. Zugleich thematisiert er persönliche und gesellschaftliche Konflikte zwischen Anpassung und Auflehnung, Liebe und Ideologie.
Vom Ende des ersten Weltkriegs in die Gegenwart…
Diesen nicht einfachen Stoff hat Felicitas Brucker für das Schauspielhaus Bochum neu inszeniert und ins aktuelle Jahrtausend transformiert. Sie versucht damit Brechts Klassiker mit einer modernen Perspektive zu versehen, ohne jedoch dabei den ursprünglichen Geist des Stücks zu verlieren. Die Integration von modernen Medien lockert das Stück auf und sorgt auch im wahrsten Sinne des Wortes für neue Blickwinkel auf das Stück.
Dazu gehört dann auch die Integration zusätzlicher Texte von Şeyda Kurt zum Ende des Stücks hin. Diese verleiht in dieser Inszenierung den weiblichen Figuren mehr Raum und Tiefe. Außerdem wird die Verbindung zu aktuellen Krisen (Stichwort beispielsweise Ukraine) deutlich gezogen. Später aber mehr dazu.

“Sitzend wäre die Welt eine bessere…“
Am Ende des Stücks gab es viel Beifall und auch teilweise stehenden Applaus (standing ovations). Persönlich bin ich jedoch erstmal sitzengeblieben. Vielleicht auch getreu des sinngemäßen Mottos “Sitzend wäre die Welt eine bessere…“ von Babusch (Jakob Schmidt). Dieser wird im Original nicht nur als Freund von Andreas Kragler (Stefan Hunstein) geschildert, sondern als politischer Aktivist, der dem Spartakusaufstand nahe steht.
In der neuen Inszenierung wird diese Rolle noch ergänzt und als „politischer Influencer“ hetzt er mit seiner Handycam immer wieder über die Bühne und durchbricht immer wieder die unsichtbare vierte Wand zum Publikum im großen Haus des Schauspielhauses Bochum. Die Darstellung des Bochumer Künstlers, der im vergangenen Jahr zum hiesigen Ensemble dazu stieß, weiß zu begeistern. Ebenso „neu“ im Ensemble dabei ist Linde Dercon, die die innere Zerrissenheit von Anna sehr gut darzustellen weiß.
Das Lob für das Spiel gilt grundsätzlich auch den anderen Akteurinnen und Akteuren, wo insbesondere Stefan Hunstein es schafft, seine Rolle als Rückkehrer aus dem Krieg wirklich „geisterhaft“ zu spielen. Was aber auch – und dahingehend muss man mal ein Lob an die Leute hinter den Kulissen machen – durch die großartige Einführung seiner Figur gut gelingt.
Wo Lob ist, da muss auch Kritik sein – dass Herr Balicke durch Jele Brückner und Frau Balicke durch Oliver Möller dargestellt werden, ist ein Effekt, der in den ersten Augenblicken verwirrt (verwirren soll?), dann aber im weiteren Verlauf in Vergessenheit gerät und weder aneckt noch etwas positives mit sich bringt – schlicht und ergreifend „egal“ erscheint.
Mein persönliches Fazit zu „Trommeln in der Nacht“
Tatsächlich muss man das Stück etwas länger reflektieren, um es bewerten zu können. Und selbst das ist dann noch nicht abschließend. Dahingehend bestand gestern mit dem Teil des Premierenpublikums, mit dem ich mich ausgetauscht habe, Einigkeit.
Insgesamt gesehen finde ich das Stück gut. Insbesondere die Leistungen des Ensembles sorgen dafür, da sie mit ihrem Schauspiel den Figuren Leben (und Widersprüchlichkeit) einhauchen. Die Inszenierung weiß, wenn sie sich am Werk orientiert, auch zu begeistern, die behutsamen Anpassungen passen sich gut ein.
Die Idee die zusätzlichen Texte von Şeyda Kurt in die Inszenierung einzubinden, die klingt erstmal gut. Jedoch wirken sie am Ende doch irgendwie wie ein Fremdkörper im eigentlichen Stück. Denn praktisch gesehen ist das ein großer Schnitt in der Inszenierung. Es stellt sich die Frage, ob man das nicht noch besser hätte einbinden können?
Wenn Babusch sowieso das Publikum direkt anspricht, dann hätte er hier vielleicht diesen Teil auch erzählend noch besser einordnen können?
Trommeln in der Nacht – das Schauspielhaus Bochu zum Stück
In der Inszenierung Trommeln in der Nacht von Felicitas Brucker, erweitert durch Texte der Autorin Şeyda Kurt, wird Bertolt Brechts Drama aus dem Jahr 1922 in die Gegenwart übersetzt. Im Zentrum steht der Kriegsheimkehrer Andreas Kragler, der nach dem Ersten Weltkrieg eine veränderte Heimat vorfindet – seine Braut Anna ist schwanger und verlobt, ihre Eltern haben vom Krieg profitiert. Während draußen der Spartakusaufstand tobt, ringen die Figuren mit Fragen von Aufstand, Anpassung und Selbstbestimmung.
Die Inszenierung gibt insbesondere den weiblichen Stimmen mehr Raum: Anna und die Sexarbeiterin Marie erhalten durch Kurts Texte eine neue Perspektive, die sich von der traditionellen Rollenverteilung emanzipiert. Die Themen Krieg, Profit und soziale Ungleichheit sind dabei aktueller denn je.
Weitere Informationen und Aufführungstermine finden sich auf der Webseite des Schauspielhaus Bochum.
